Helmut Heißenbüttel »Die Bilder«

Das Sagbare sagen

Helmut Heißenbüttel, Selbstporträt
Helmut Heißenbüttel, Selbstporträt, 1952
Einer der vieldiskutierten Protagonisten der literarischen Avantgarde in der Bundesrepublik war Helmut Heißenbüttel (1921 – 1996). Er debütierte 1954 mit dem Gedichtband »Kombination«, es folgten Prosaprojekte, seine berühmten Textbücher, Gedichte, Hörspiele, Essays und hunderte von Buchbesprechungen. Dass er zudem Collagen und Übermalungen, Tinten und Tuschen, Tropf- und Streifenbilder anfertigte, hat er bis ins hohe Alter verheimlicht. In der Freien Akademie der Künste kann man das vielschichtige Werk Helmut Heißenbüttels in diesem Sommer in einer Ausstellung und in einer Reihe von Vorträgen, Lesungen und Gesprächen neu entdecken.

Schreibend war Helmut Heißenbüttel, der am 21. Juni 1921 in Rüstringen geboren wurde und dessen 100. Geburtstag sich in diesem Sommer jährt, immer auch auf der Jagd nach der Befriedigung seiner eigenen Lust am Lesen. Selbst in seinen kritischen Schriften sah er »Beiträge zu einer Unterhaltungsliteratur für Leseratten«. Im Blick auf die aktuelle Literatur war er folglich nicht sehr wählerisch, ihn interessierten die Vielfalt der europäischen und amerikanischen Schreibweisen ebenso wie die verschütteten Traditionen der literarischen Moderne, Krimis ebenso wie Lyrik, Comics und Kinderbücher ebenso wie die Neuausgaben von Klassikern. In der Literaturkritik ist das heute vor allem ein weites Feld für Geschmacksurteile, Heißenbüttel ging es dagegen darum, methodische und poetologische Fragen zu veranschaulichen.
Gleichzeitig war all das Vorgefundene für ihn das Material, das zum Ausgangspunkt für neue Sprachansätze werden konnte, mit denen sich der Möglichkeitsraum der Literatur erweitern ließ. Dass das Spiel mit der Sprache und ihren literarischen Ausdrucksformen für ihn kein Selbstzweck war, hat Günter Kunert einmal sehr treffend klargestellt. Helmut Heißenbüttel sei kein Sprachlaborant oder Avantgardist, wie immer behauptet werde, sondern ein Realist, der sich kritisch und in Notwehr mit einer aggressiv-regressiven gesellschaftlichen Wirklichkeit auseinandersetzte.
Eine »unorthodoxe Poetik«, wie es in der Ankündigung der Freien Akademie heißt, hat uns dieser Helmut Heißenbüttel natürlich trotzdem hinterlassen. Die Botschaft, die in ihrem Zentrum steht, ist jedoch ganz einfach und kann in einem seiner Gedichte nachgelesen werden, es heißt: »das Sagbare sagen«.

Das Programm zur Ausstellung

8. Juni, Zur Eröffnung der Ausstellung mit Collagen, Tuschen und Übermalungen von Helmut Heißenbüttel spricht der Dichter, Essayist, Übersetzer und bildende Künstler Schuldt, 18.00 Uhr, Eintritt frei;

14. Juni, Über »Helmut Heißenbüttel und die vergessene Moderne« sprechen Willi Winkler und Thomas Combrink;

17. Juni, »Zur Lockerung der Perspektive – Helmut Heißenbüttel als Literaturkritiker« mit Nico Bleutge und Michael Braun;

21. Juni, Unter dem Motto »Die unteilbare Republik der Wörter« lesen Ann Cotten, Michael Lentz, Eckhard Rhode und Ulf Stolterfoht aus den werken von Helmut Heißenbüttel und eigene Texte.

Freie Akademie der Künste, Klosterwall 23, 18.00 Uhr und 19.00 Uhr, zur Eröffnung freier Eintritt, sonst € 12,–/8,–, Tickets: https://www.akademie-der-kuenste.de/ihr-besuch/tickets/


01.06.2021 | Jürgen Abel